LEIPZIG GIESST – Die Gieß-App für den Erhalt von Stadtbäumen

Die Stiftung »Ecken wecken« entwickelte auf Basis von Open Data die Gieß-App LEIPZIG GIESST und belegte damit den 1. Platz beim »Sächsischen Digitalpreis« in der Kategorie Open-Source.

Die App zeigt alle rund 57.000 Straßenbäume Leipzigs – mit Informationen zur Gattung, dem Standalter sowie dem Gießbedarf. In Absprache mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer liegt der Fokus auf Bäumen im Standalter von vier bis 15 Jahren. Interessierte können nach erfolgreicher Anmeldung eine Gießpatenschaft für einen Baum übernehmen. In der App kann die Gießmenge eingetragen bzw. editiert werden. Die Regenmenge und die gegossenen Liter werden in einer Statistik zusammengerechnet und in einem Diagramm übersichtlich für jeden Baum dargestellt. Der Schlüssel zum langfristig motivierten Gießen ist der einfache Zugang zu Wasserquellen in Baumnähe. Deshalb verzeichnet LEIPZIG GIESST auch durch Privatpersonen oder Firmen bereitgestellte Wasserquellen und historische Pumpen.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:
https://stiftung-ecken-wecken.de/projekte/leipzig-giesst

Bild von Quentin Kügler, Stiftung Ecken wecken (Leipzig giesst)
Quentin Kügler, Projektkoordinator der entwickelten Gieß-App 

Herr Kügler, mit der Stiftung »Ecken wecken« und der App LEIPZIG GIESST sorgen Sie gemeinsam mit anderen Menschen dafür, dass das Leben in Leipzig lebendiger und nachhaltiger wird. Warum setzen Sie dabei auf eine digitale Anwendung?

Begonnen hat die Arbeit von LEIPZIG GIESST im Juli 2020 nicht mit einer App, sondern mit einer Tabelle, in der alle Straßenbäume im Leipziger Westen verzeichnet waren. Wenn ich heute auf diese Anfänge zurückblicke, zeigen sie mir nochmal sehr gut, welchen großen Schritt wir im Anschluss mit der Etablierung der Gieß-App gemacht haben. Wir haben dabei enorm von GießdenKiez, unserem Vorbild aus Berlin, und der Unterstützung durch das Team des CityLABs Berlin profitiert, denn dort wurde bereits Erfahrung mit einer solchen Anwendung gesammelt. Mit der Anwendung hat man die gießbedürftigen Bäume vor der eigenen Haustür sowie nahegelegene Wasserquellen im Blick, erhält wissenswerte Informationen zu jedem Baum und kann Gießpatenschaften abschließen sowie seine Wässerungen eintragen. Die Wässerungen haben Einfluss auf die farbliche Darstellung des jeweiligen Baumes. Es zeigt sich also, dass wir zwingend digitale Unterstützung benötigen, weil wir als kleine Organisation ansonsten niemals in der Lage wären, das Gießen effizient zu organisieren und dafür vielen Menschen zu gewinnen.

Wir wollen engagierte Gießer nicht nur für unser Stadtgrün sensibilisieren, sondern auch zusammenbringen, denn gemeinsam gießen macht am meisten Freude. Deshalb rufen wir regelmäßig zu gemeinsamen Gießaktionen auf, sind an Schulen und Kitas mit Bildungsangeboten unterwegs, stellen Gießmobile für eigene Gießaktionen bereit und wollen die Vernetzung von Gießenden zeitnah auch über die App ermöglichen. Das führt zu langfristigem Engagement, wie unsere Statistik zeigt: Über 900 Nutzerinnen und Nutzer nutzen die App bereits, 754 Bäume wurden regelmäßig bewässert und rund 120.000 Liter Wasser wurden als Wässerung in die App eingetragen. Neben der App setzen wir außerdem auf weitere IT-Systeme, etwa zur Kontaktverwaltung, zum Versand von Newslettern sowie zur Bestellung von Bewässerungssäcken, um Menschen gezielt zu erreichen und unseren Bestellprozess möglichst effizient zu gestalten.

 

Ihre digitale Anwendung basiert auf Open-Source, worauf kommt es hier an?

Hier sind verschiedene Aspekte für unsere Arbeit relevant. Drei davon möchte ich näher erläutern. So ist die Kompatibilität der Lizenzen zu beachten, d. h., dass der Code und die Bibliotheken, die wir (wieder-)verwenden, nicht unserer eigenen Lizenz widerspricht. Konkret nutzen wir MIT-Lizenz, damit erlauben wir beispielsweise, dass andere unseren Code auch kommerziell wiederverwenden können.

Zur Auswahl der OpenSource-Bibliotheken ist anzumerken, dass sowohl GiessDenKiez als auch wir auf häufig genutzte OpenSource-Bibliotheken mit großer Entwickler-Community setzen, damit ist sichergestellt, dass diese Bibliotheken auch in Zukunft weiterentwickelt werden

Von den Bibliotheken, von denen wir abhängen, werden stetig neue Versionen veröffentlicht, teilweise enthalten diese dann auch Änderungen, die auch Anpassungen an unserem Code erfordern.

In unserem Fall ist außerdem die enge Abstimmung mit unserem Vorbild GießdenKiez von Bedeutung. Wir profitieren in der Regel von den Weiterentwicklungen von GiessDenKiez als Hauptprojekt. Dennoch gibt es Anpassungen, die nur unsere Variante enthält, wie beispielsweise die Farbmarkierung der Bäume nach ihrer Gießbedürftigkeit. Bei Aktualisierungen muss also beachtet werden, dass unsere Ergänzungen erhalten werden und damit an den von GießdenKiez geänderten Code angepasst sind. Es bleibt damit immer eine Abwägungsfrage, wie synchron wir mit dem Hauptprojekt bleiben möchten.

 

Informationssicherheit ist eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte. Wie zeigt sich das bei der Entwicklung Ihrer Gieß-App?

Informationssicherheit wird von unseren Nutzerinnen und Nutzern zurecht erwartet und ist uns von Beginn an ein zentrales Anliegen. Bei der Entwicklung der App setzten wir auf etablierte und sichere Technologien, die uns als Cloud-Dienstleister sowie als Dienstleister für die Registrierung, Authentifizierung und Autorisierung der Nutzerinnen und Nutzer dienen. Die Daten sind so geschützt, dass kein Fremder die Daten der Gießenden abfragen kann und jede und jeder Gießende nur die Gießungen bearbeiten darf, die von ihm/ihr selbst stammen, und auch nur die jeweils eigenen Nutzerprofildaten sieht. Unsere Nutzerinnen und Nutzer haben jedoch die Möglichkeit, optionale Daten wie ihren vollständigen Klarnamen oder ihre Adresse auf ihrem Profil anzugeben, damit wir Vorschläge für den Austausch mit anderen, in jeweiliger Nähe wohnenden Gießenden machen oder lokale Gießtreffen und Gießgemeinschaften planen können. Diese Daten werden jedoch nicht auf der App-Oberfläche angezeigt und sind anderen Nutzerinnen und Nutzern nicht zugänglich. Der Nutzername, der wiederum auf der App-Oberfläche angezeigt wird, kann jederzeit geändert werden, wobei auch ein anonymer Name zulässig ist. Die erhobenen Daten sind nur zwei autorisierten Teammitgliedern zugänglich und werden neben der Vernetzung von Gießenden für den Versand unseres Newsletters per Mail genutzt.

 

Digitale Transformation und Klimaschutz/Nachhaltigkeit, wie passt das Ihrer Meinung nach zusammen?

Digitale Transformation und Klimaschutz sehe ich als zwei Seiten derselben Medaille und sie werden zurecht als gesamtgesellschaftliche Jahrhundertaufgaben angesehen. Gesamtgesellschaftlich bedeutet, dass hier nicht allein der Staat gefragt ist, sondern Wissenschaft, Unternehmen und Zivilgesellschaft ebenfalls entscheidende Rollen zukommen, um diese Aufgaben zu bewältigen. Im Rahmen unseres Engagements in Leipzig und auch darüber hinaus haben wir wahrgenommen: Die Bereitschaft hierfür ist da! LEIPZIG GIESST arbeitet koproduktiv, also unter starkem Einbezug der genannten gesellschaftlichen Gruppen. Unserer Erfahrung nach wird so gewährleistet, dass lösungsorientiert und ressourceneffizient an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet wird. Das zeigt sich auch bei vielen anderen Lösungsteams von ‚Wir im Quartier‘, dem Projekt in dessen Rahmen LEIPZIG GIESST entstanden ist. Dieses Vorgehen ist auch für Prozesse der Transformation von Bedeutung. Entscheidend ist, dass wir mit der Digitalisierung und dem Klimaschutz beide Transformationsprozesse zusammendenken und entstehende Synergieeffekte nutzen. Was wie eine Phrase klingt, wird an vielen Stellen bereits erfolgreich praktisch umgesetzt. So ist Nachhaltigkeit für digitale Technologien eine entscheidende Bedingung, durch die Digitalisierung wird nachweislich CO2 eingespart und digitale Ansätze sind für die verschiedensten Klimaschutzlösungen oft nicht mehr wegzudenken. LEIPZIG GIESST ist nur ein Beispiel dafür, wie auf Ebene der Kommune - also nah an und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern - Klimaanpassung mithilfe einer digitalen Anwendung passiert. Selbstverständlich gibt es für solche Projekte, die Digitalisierung und Klimaschutz vereinen, viele weitere innovative Beispiele auch über die kommunale Ebene hinaus.

 

LEIPZIG GIESST ist eine Adaption eines ähnlichen Projektes aus Berlin. Und der Open Source-Gedanke beinhaltet ja auch das »Teilen«. Ist eine Übertragung des Projektes auf andere Städte/Gemeinden prinzipiell möglich? Was benötigt es dafür?

Das Problem der extrem trockenen Sommer ist landauf, landab das gleiche, demnach kann auch die Gieß-App als Teil der Lösung gleich oder zumindest ähnlich sein. Die Übertragung der Gießapp sowie der damit verbundenen Aktionen und Veranstaltungen auf andere Kommunen ist deshalb nicht nur prinzipiell möglich, sondern unser erklärtes Ziel, an dem wir gemeinsam mit Partnern arbeiten. Das sehen wir auch als Auftrag an, denn LEIPZIG GIESST hat enorm von der Kooperation mit dem CityLAB Berlin und von der dort bereits entwickelten Anwendung GießdenKiez profitiert. Einige Kontakte hatten wir dazu schon in den letzten Jahren - unter anderem zu Engagierten in Dresden, Chemnitz oder Wurzen. Nun sollen diese Bemühungen zum Transfer der Gießanwendung gebündelt und weiterentwickelt werden - und zwar im Rahmen des GreenBlueLab. Das GreenBlueLab entwickelt gemeinwohlorientierte IT-Lösungen, die Kommunen beim Erhalt ihrer grün-blauen Infrastruktur unterstützen. Mit einer Kombination aus digitalen Technologien und Inhalten/Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit werden sowohl Verwaltungen, als auch zivilgesellschaftliche Organisationen dazu befähigt, ihren Ort durch aktive Mitwirkung ihrer Bürger:innen grüner und lebenswerter zu gestalten. Hinter dem GreenBlueLab steht eine Gruppe von Expert:innen aus den Bereichen IT/Organisation, Bildung, Nachhaltigkeit und Partizipation. Weitere Informationen zu den aktuellen Entwicklungen sind auf der Website zu unter http://greenbluelab.org/ zu finden.

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